Psychologische Berufsberatung
Friedrich Liebling*, Zürich
Die Berufsberatung ist zu einem anerkannten Faktor des öffentlichen Lebens geworden. In jedem Jahr konsultieren tausende von Jugendlichen den Berufsberater, um sich von ihm hinsichtlich ihrer Berufswahl beraten zu lassen. Es ist heute nicht mehr nötig, die Notwendigkeit einer solchen Institution zu betonen. Im Verlaufe der industriellen Entwicklung hat die Zahl der Berufe eine solche Mannigfaltigkeit angenommen, daß nur ein Spezialist in der Lage sein kann, ihre Struktur und ihre Grundbedingungen zu kennen.
Die «gute alte Zeit», in der Eltern und Verwandte dem Jugendlichen einen für ihn passenden Beruf empfehlen konnten, ist längst vorbei. Es ist nur noch selten so, daß der Heranwachsende den Vater bei seiner beruflichen Arbeit beobachten und unterstützen kann, so daß sich in gleichsam zwangloser Weise ein Hineinwachsen in den väterlichen Beruf ergibt.
Statistische Erhebungen haben gezeigt, daß ein Großteil der jungen Menschen das Berufsmilieu ihres Vaters nicht kennen: Sie wissen nur vom Hörensagen von seinen Tätigkeiten und haben keine Gelegenheit, sich in ihrem Entwicklungsalter mit der väterlichen Berufsausübung zu identifizieren.
Berufswahl ist immer auch ein Stück "Lebenswahl"
Dazu kommt, daß das moderne Erwerbsleben eine Unübersichtlichkeit angenommen hat, innerhalb derer dem Laien nur ein kleiner Ausschnitt transparent wird: Die meisten Eltern sind nur über einige wenige Berufe gründlich informiert und haben auch nicht die psychologischen Kenntnisse, um die Eignungen und Neigungen ihres Kindes verstehen zu können. Daher sind sie mit Recht erleichtert, wenn sie die folgenschwere Wahl in die Hände eines Fachmannes legen können; jeder verantwortungsbewußte Mensch weiß, daß in der Berufswahl ein Stück «Lebenswahl» liegt: Es ist demgemäß von schicksalshafter Bedeutung, für den jungen Menschen einen passenden Beruf zu finden.
Da die berufliche Arbeit fast ein Drittel unserer Lebenszeit ausfüllt, kann man sich leicht klarmachen, wie wichtig ihre befriedigende Gestaltung ist; eine unerläßliche Bedingung für Lebensglück und -erfolg liegt in einer als sinnvoll empfundenen Tätigkeit, indes Unbefriedigung im Beruf nicht selten eine Quelle psychischer wie auch somatischer Erkrankungen sein kann.
Aus diesem Grunde soll man die Berufswahl eines Jugendlichen mit größtmöglicher Sorgfalt in Angriff nehmen; die wissenschaftlichen Hilfsmittel, die uns heute zur Verfügung stehen, erlauben uns durch psychologisch fundierte Verfahren, anstelle des blinden Zufalles vernünftige und zuverlässige Entscheidungen zu setzen.
Die Aufgabe der Berufsberatung
Der Berufsberater übt eine vermittelnde Funktion zwischen dem Gewerbe und dem berufsuchenden Jugendlichen aus. In jedem Jahre werden zahlreiche Lehrstellen in allen Berufen frei, von denen ein Teil dem Berufsberater angeboten wird. Es gilt nun u. a., den Strom der Jugendlichen, die die Schule verlassen, in das Netzwerk der Berufe zu verteilen. So gesehen, steht die Berufsberatung vor einer sozialen und volkswirtschaftlichen Aufgabe. Diese ist jedoch zweitrangig gegenüber dem Anliegen, dem einzelnen Jugendlichen den für ihn geeigneten Beruf zu verschaffen.
Eine Berufsberatung, die es lediglich auf Handlangerdienste für die nachwuchsheischende Industrie und das Gewerbe abgesehen hätte, wäre unseres Erachtens keine humane Institution. Das vornehmste Problem in der Menschenführung wird wohl immer die Förderung des Individuums bleiben: Auch der Berufsberater muß sich voll und ganz auf die Seite des jungen Menschen stellen, der sich ihm anvertraut, um durch seine Hilfe einen Beruf zu finden.
Für dieses Unterfangen soll zunächst jede ökonomische und konjunkturbedingte Überlegung ausfallen; die besten Leistungen im Beruf wie im Leben werden immer dann erzielt, wenn der Mensch an einen Platz gestellt werden kann, der seinen Eignungen und Neigungen möglichst weitgehend entspricht: Indem wir dem Jugendlichen eine ihm angemessene berufliche Lebensaufgabe zuweisen, sichern wir ihm nicht nur die persönliche Zufriedenheit, sondern auch seinen Einsatz und seine Produktivität, die der Gesamtheit zugute kommen.
Eine Berufsberatung, die den Einzelnen in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellt, kommt im höchsten Maße auch den Bedürfnissen der Gemeinschaft entgegen: Nur kurzsichtige Betrachtungsweise vermag dem Fehlschluß zum Opfer fallen, daß ein Übergehen des Individuums dem Kollektiv nützlich werden könne.
Eignung und Neigung
Die bereits oben angedeuteten Begriffe beinhalten die eigentliche Problematik jeder sachgemäßen Berufsberatung. Der junge Mensch soll auf einen Beruf hingeleitet werden, der seiner psychischen Struktur und Beschaffenheit entspricht: Unter Neigung verstehen wir eine psychische Orientierung, die zutiefst im Gefühlsleben verankert ist und sich aus Wünschen, Träumen, Hoffnungen und Erwartungen zusammensetzt. Jede Berufsneigung wurzelt in unbewußten Motivationen, die durch die Entwicklung der Persönlichkeit weitgehend bedingt sind.
Was der Jugendliche letztlich als Neigung empfindet, setzt sich aus ldentifikationen mit für ihn bedeutsamen Erwachsenen (Vorbildern usw.), erfolgreich betätigten Hobbies, schulischen Tüchtigkeiten und Bevorzugungen und vielen anderen Gegebenheiten zusammen: Jedenfalls ist die Neigung für einen bestimmten Beruf eine Resultante zahlreicher Umstände, die zu ermitteln nicht immer möglich und häufig auch nicht notwendig ist.
Man muß lediglich wissen, daß Neigungen solcher Art mit dem ganzen (bewußten und unbewußten) Persönlichkeitsideal eines Menschen in Beziehung stehen: Ein Grund dafür, sie jeweils ernst zu nehmen und sie in der Berufswahl nach Möglichkeit zu berücksichtigen.
Die Eignung soll angeben, ob der Berufsuchende auch die Fähigkeiten für jene Tätigkeit besitzt, die er sich zum Beruf wählen möchte. Es muß also abgeklärt werden, ob die Wahl nicht zu hoch oder zu tief greift: Es wäre sinnlos, einen Beruf zu empfehlen oder ergreifen zu lassen, für den keine geeigneten Voraussetzungen psychischer und intellektueller Art bestehen.
Verantwortung des Berufsberaters
Ein großes und schweres Problem für die Berufsberatung besteht darin, innerhalb von wenigen Zusammenkünften mit dem Jugendlichen zu ermitteln, welche Fertigkeiten und Dispositionen er besitzt. Hier dürfen nur die besten diagnostischen Hilfsmittel eingesetzt werden: Die Verantwortung, die der Berufsberater übernimmt, wenn er einen Beruf nahelegt oder ablehnt, ist kaum zu überschätzen. Wie soll man ausfindig machen, ob ein junger Mensch für einen Beruf geeignet oder ungeeignet ist?
Wichtig ist in erster Linie der modern-psychologische Gesichtspunkt, daß Eignungen nicht etwas Festes und Unveränderliches sind. Sie können also nicht gemessen und gewogen werden wie Körpereigenschaften: Da die Persönlichkeit etwas Wandlungs- und Entwicklungsfähiges ist, muß man sich - vor allem beim Jugendlichen - stets vor Augen halten, welch begrenzte Tragweite ein momentanes Zustandsbild besitzt.
Das Verdikt der «Ungeeignetheit» wird demnach nur mit größter Vorsicht ausgesprochen werden: Nur aus der Gesamterfassung der Persönlichkeit können gegenwärtige Fähigkeiten und Unfähigkeiten im Hinblick auf ihre Entwicklungschancen beurteilt werden. Die Berufsberatung muß dementsprechend immer auf Persönlichkeitsdiagnostik basieren: Sofern diese lückenhaft ist, wird ihr Erfolg von Zufallstreffern abhängen.
Vom Wert der Testmethoden
Um Eignung und Neigung abzuklären, werden weithin sog. «Tests» verwendet, die als eine Art von Stichproben psychische, charakterliche, intellektuelle, technisch-handwerkliche Dispositionen usw. erfassen sollen. Die Zahl der Teste geht ins Unbegrenzte: Es gibt eine kaum übersehbare Menge von Methoden und Methödchen, mit deren Hilfe psychische Dispositionen angeblich erkannt und bewertet werden können.
Das Problematische an diesen Verfahren, die sich so großer Beliebtheit erfreuen, ist ihr mechanistischer Charakter. Der Test schafft eine künstliche Versuchssituation, wobei die Resultate, die der Explorand liefert, mit groben Schätzungen oder mit raffinierten Formeln eingestuft werden.
Selbst wenn bei derartigen Prüfungen größtmögliche Vorsicht waltet, sind störende Faktoren wie Prüfungsangst, isoliertes Versagen, Fehlbeurteilungen nicht auszuschalten: Darüber hinaus wendet sich der Test an psychische Teilfunktionen, deren Gelingen oder Mißlingen vom nicht durch «Stichproben» erfaßbaren psychischen Ganzen bestimmt sind.
Man macht die Sache nicht dadurch besser, daß man eine Reihe von Tests aneinanderfügt, in der Hoffnung, durch die «Testbatterie» aus Teilbefunden die Persönlichkeit zusammensetzen zu können: Gravierende Irrtümer sind bei solchen Prüfungen an der Tagesordnung, nicht etwa weil der Versuchsleiter sich keine Mühe gibt, sondern weil die Methode an sich an prinzipiellen Mängeln krankt.
Tests aus der Wirtschaft
Das «Testen» stammt ursprünglich aus dem Wirtschaftsleben, und seine Einführung bezweckte lediglich, den «richtigen Mann» für eine spezielle (meistens sehr mechanische) Tätigkeit ausfindig zu machen. Innerhalb dieser Zielsetzung fielen allgemeine Persönlichkeitswerte außer Betracht: Für den komplexen Vorgang einer Berufswahl jedoch kommt man mit psychischen Partialbefunden nicht aus.
Neuere Teste beanspruchen unberechtigterweise, eine Persönlichkeitsdiagnostik im eigentlichen Sinne des Wortes zu sein: Ein derartiger Anspruch hält aber einer wissenschaftlichen Kritik in keiner Weise stand. Auch der beste Test kann nur ein sehr untergeordnetes Hilfsmittel in der Beurteilung menschlicher Qualifikationen sein: Das Hauptgewicht psychodiagnostischer Untersuchungen muß auf die intuitive Erfassung der Persönlichkeit gelegt werden, durch die erst der Teilbefund seinen Stellenwert erhält.
So kann etwa Schüchternheit und Gehemmtheit sehr negative Testresultate bewirken, die den Exploranden als dumm und untüchtig erscheinen lassen; eine momentane Entwicklungskrise, die der Testmethode entgeht, verwirrt das Bild aller Eignungen und Neigungen bis zur Unkenntlichkeit; ein psychischer Konflikt gibt Anlaß zu Neigungsäußerungen, die keine wesentliche Fundierung in der Persönlichkeit haben und demgemäß Berater und Ratsuchenden in die Irre führen können.
Demgemäß ist es geradezu gefährlich, eine Berufswahl auf Testbefunden allein aufzubauen; das Wesentliche an jeder Berufsberatung ist der Versuch, den ratsuchenden Menschen als psychische Totalität zu begreifen und aus der Gesamteinschätzung seiner Möglichkeiten und Grenzen für ihn und mit ihm einen Beruf zu wählen. Dies ist nur durchführbar, wenn die Kontaktnahme mit dem Ratsuchenden sich der Tiefenpsychologie bedient, welche von vornherein auf jede mechanische und «abgekürzte» Methode verzichtet, um sich durch eine echte Kontaktnahme im sog. «tiefenpsychologischen Gespräch» mit der zu beratenden Persönlichkeit in Beziehung zu setzen.
Das tiefenpsychologische Verfahren
In der Tiefenpsychologie geht es darum, die Gesamtsituation des Jugendlichen, der vor der Aufgabe der Berufswahl steht, zu erfassen: Sie ist demnach nicht nur Berufs-, sondern auch, zumindest teilweise, Lebensberatung.
Der junge Mensch, der mit seinen sechzehn oder (sofern er eine Mittelschule absolviert hat) zwanzig Jahren einen derart folgenschweren Entschluß fassen soll, befindet sich inmitten der Pubertätsnöte: Sein Gefühlsleben ist außerordentlichen Schwankungen unterworfen, sein Selbstwertempfinden ist durch den physischen und psychischen Reifungsprozeß maßgeblich gestört und häufig bestehen zwischen Eltern und Jugendlichen tiefgreifende Konflikte, bei denen der letztere in unglücklicher Auflehnung oder Resignation einen Großteil seiner ohnehin reduzierten Kräfte vergeudet.
In dieser Krisenzeit soll nun die Entscheidung über die Berufswahl gefällt werden: Die meisten Erwachsenen legen sich gar nicht Rechenschaft darüber ab, wie schwer es der junge Mensch in dieser Epoche seines Lebens hat, in der die Gesellschaft anfängt, Forderungen an ihn zu stellen.
Namentlich dort, wo es den Eltern nicht gelungen ist, das Vertrauensverhältnis mit den Heranwachsenden auch für die Entwicklungsjahre aufrechtzuerhalten, beginnt sich der Jugendliche von seiner Umwelt abzuschließen; er leidet selbst am meisten unter seinem Oppositionsgeist oder seiner Verschlossenheit, welche ihm verständnislose Erzieher gar zum Vorwurf machen.
Aus Störungen des Umweltkontaktes und des Selbstwerterlebens können dann Berufswünsche entstehen, die in keinem Verhältnis zu den wirklichen Fähigkeiten des jungen Menschen stehen; ein irritierter Lebensmut führt, nicht nur beim Jugendlichen sondern auch beim Erwachsenen, zu Entscheidungen, die u. U. später nicht mehr korrigierbar sind.
Nöte und Sorgen der Jugendlichen erkennen
Der tiefenpsychologisch geschulte Berufsberater nähert sich dem Ratsuchenden nicht von der Seite seiner partikulären Fähigkeiten und Fertigkeiten: Er spricht den Jugendlichen auf seine eigentlichen Nöte und Sorgen an, klärt sorgfältig die Familienverhältnisse ab und beurteilt auch die Schulleistungen (die von oberflächlichen Betrachtern als exaktes Maß für die Berufschancen eines Menschen verkannt werden) im Lichte des Persönlichkeitsbildes, das oft von den Schlacken des Trotzes und der Gehemmtheit gereinigt werden muß, bis es in seiner Wesensgestalt zum Vorschein kommt.
Dabei ergibt sich nicht selten, daß etwa ein mangelhafter Schulerfolg nicht auf Intelligenzschwäche, sondern auf gefühlsmäßige Hemmungsfaktoren zurückgeführt werden muß, die sich durch einige Aussprachen beseitigen lassen; oder ein verstiegener Wunsch wie Schauspielerei beinhaltet das Verlangen des Jugendlichen, aus seiner leidvollen Isolierung herauszukommen: Die erträumte, glanzvolle Existenz des Schauspielers ist dann im Grunde das nur bescheidenere Anliegen, ein angstfreies oder geselliges Leben führen zu können.
Die Ablehnung des von Eltern vorgeschlagenen Berufes begründet sich u. U. auf verzweifelter Oppositionshaltung, die ein Gegenstück zum autoritären Ton mancher Erzieher ist, die nicht ahnen, wie sehr ihr Sohn oder ihre Tochter in der Pubertät auf Anerkennung und Wertschätzung als gleichberechtigte Gesprächspartner angewiesen sind: Gelingt es dem Berater, die Trotzhaltung zu entschärfen, so ist der Jugendliche weit zugänglicher als seine mit ihm im Kampfe stehenden Erzieher glauben.
Nur auf dem Boden einer solchen Gesamtberatung kann die Berufswahl in ersprießlicher Weise bearbeitet werden.
Es gibt keinen Jugendlichen, der nicht in den Entwicklungsjahren unter mehr oder minder schweren Komplikationen leidet: Hilft man ihm über diese hinweg, so bekommt er erst die Sicht frei für seine menschlichen und beruflichen Möglichkeiten, unter denen er dann unter fachgemäßer Anleitung zu wählen vermag.
Als ein Beispiel für vieles sei nur erwähnt, daß etwa auch das Problem der Sexualität in diesem Alter für den Heranwachsenden eine bedeutende Bürde ist: Dies vor allem auch deshalb, weil die wenigsten Eltern in der Lage sind, ihrem Kinde eine sinnvolle und auch klare Aufklärung zu vermitteln.
Daher wird der tiefenpsychologische Berufsberater seine Aufgabe nicht als beendet ansehen, wenn er für den jungen Menschen den passenden Beruf gefunden hat; unter dem Motto der Lebensberatung wird er den Eltern die schwierige Aufgabe abnehmen, das Aufklärungswissen, das für die psychische Gesundheit unentbehrlich ist, in einer faßlichen und verantwortbaren Form mitzuteilen.
Man darf durchaus den Standpunkt vertreten, daß die sexuelle Aufklärung in der Jugendberatung ein integrierender Bestandteil zu sein hat: Die Erfahrung lehrt jedenfalls, daß junge Menschen äußerst dankbar sind, wenn man die Mauer der Heimlichkeiten und Tabus durchbricht und mit ihnen ehrlich und offen die für sie so unermeßlich wichtigen Probleme des Liebeslebens erörtert.
Menschliche Schwächen und Fehlhaltungen sind korrigierbar
Der Vorteil des tiefenpsychologischen Verfahrens besteht u. a. auch darin, daß dieses sich nicht mit bloßen diagnostischen Feststellungen begnügen muß, die den Jugendlichen hinsichtlich seiner Qualifikationen abstempeln: In der Tiefenpsychologie liegt immer auch der therapeutische Gesichtspunkt, wonach fast alle menschlichen Fehlhaltungen und Schwächen korrigierbar sind.
So kann sich etwa an eine tiefenpsychologische Berufsberatung eine Kurztherapie anschließen, die z. B. den Konfliktstoff zwischen Eltern und Kind - der einem gedeihlichen Vorankommen in der Schule und im Beruf im Wege steht - durch Aussprachen beseitigt.
Oder aber die Berufsberatung deckt tatsächliche Rückstände im schulischen Wissen auf, die durch Fehleinstellungen entstanden und beibehalten worden sind: Unter psychologischer Führung können Nachhilfestunden das Versäumte sehr oft wieder gutmachen.
Der Tiefenpsychologie ist hier wie auch in den anderen menschlichen Belangen ein helfender, therapeutischer Elan eigen, der zu Erfolgen führt, welche dem Laien völlig undenkbar scheinen; das allgemeine Wissen um die Beschaffenheit der menschlichen Natur ist auch auf dem Gebiete der Jugendhilfe sehr lückenhaft, so daß Eltern und Erzieher sich an Problemen abmühen, die der wissenschaftlich geschulte Psychologe leicht lösen kann.
Wir haben in der Tiefenpsychologie ein kostbares Instrument, das uns Nöte und Schwierigkeiten des jungen wie des älteren Menschen verstehen lehrt; auch in der Berufsberatung setzt sie uns instand, über die reine «Stellenvermittlung» hinaus dem jungen Menschen eine Orientierung und Wegweisung für das Leben mitzugeben.
Friedrich Liebling (1893 - 1982) war Gründer und Leiter der Psychologischen Lehr- und Beratungsstelle Zürich, auch “Zürcher Schule für Psychotherapie” genannt.
Aus der Monatszeitschrift “Psychologische Menschenkenntnis”, Heft 4 Okt. 1964, S. 128 - 133